Wegränder und Feldraine können einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in der Feldflur leisten. Leider werden Feldraine immer noch zu oft unter den Pflug kommen oder durch fehlerhafte und übertriebene Pflegemaßnahmen geschädigt. Dass es auch anders gehen kann, beweist die Stadt Zerbst; gemeinsam mit Landwirten und dem Förderverein Großtrappenschutz wurde ein richtungsweisendes Pflegekonzept für die Feldraine im Vogelschutzgebiet erstellt.
Blütenreiche Wegränder übernehmen wichtige Funktion im Biotopverbund
Wegränder und Feldraine entlang von Straßen und Wegen stellen nicht nur wichtige
Lebensräume für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren dar. Über weite Strecken hinweg
durchziehen sie unsere Landschaft und verknüpfen unterschiedlichste Biotope und
Lebensräume. Für die Ausbreitung und Wanderung von Tier- und Pflanzenarten
sind Wegränder zur Wahrung der genetischen Vielfalt unverzichtbar.
In intensiv genutzten landwirtschaftlichen Gebieten sind Wegränder oft die einzig
verbliebenen Refugien für die Tier- und Pflanzenwelt. Sind die Wegränder breit genug und
werden vor übertriebenen Pflegemaßnahmen geschützt, stellt sich oft eine erstaunliche
Artenvielfalt ein. Neben Goldammern, Feldsperlingen und anderen Vogelarten des
Offenlandes, finden hier Käfer und Schmetterlinge eine gute Lebensgrundlage.
Durch intensive Pflege verlieren Feldraine an Artenvielfalt
Die Existenz von Feldrainen und (breiten) Wegrändern allein reicht jedoch noch nicht aus,
um als Lebensraum zu funktionieren. Leider werden Feldraine mitten in der Brutzeit viel zu
früh und oft radikal kurz geschoren. Zum Einsatz kommt dabei kein Mähgerät. Mit
sogenannten Mulchern wird bis auf die Grasnarbe alles klein geschreddert. Oft in
atemberaubender Geschwindigkeit. Zerstört wird dabei nicht nur die Vegetation, auch
tausende Insekten und Jungtiere kommen dabei zu Tode.
Besonders fatal wirkt sich das Mulchen auf den Verlust von Blütenpflanzen aus.
Wissenschaftliche Untersuchungen konnten mehrfach belegen, dass durch die Verwendung
von Mulchgeräten Blütenpflanzen verschwinden und Gräser gefördert werden.
Pilotprojekt im Europäischen Vogelschutzgebiet “Zerbster Land”
Das Europäische Vogelschutzgebiet “Zerbster Land” unterliegt im Wesentlichen einer
intensiv landwirtschaftlichen Nutzung. Nicht die allerbesten Voraussetzungen für eine
artenreiche Vogelvielfalt. Und doch finden sich hier eine Reihe hoch bedrohter Vogelarten,
die anderswo längst verschwunden sind. Das liegt unter anderen an den Feldrainen und
Wegrändern, die das Zerbster Land durchziehen und prägen. Breit, reich an Blütenpflanzen
und durchsetzt mit alten Gehölzen und Hecken.
Einen wichtigen Schritt zum Erhalt der Feldwege haben nun der FV Großtrappenschutz, die
Stadt Zerbst und Landwirte, die im Vogelschutzgebiet wirtschaften, unternommen.
Gemeinsam wurde ein Strategiepapier, die “Buhlendorfer Erklärung”, erarbeitet, dass
Verantwortlichkeiten und Umfang von Pflegemaßnahmen definiert.
Pflegekonzept als Bestandteil der Wiederansiedlung von Großtrappen im Zerbster Land
Bis in die 1990er Jahre waren Großtrappen im Zerbster Land heimisch. Mit fortschreitender
Intensivierung der Landwirtschaft erlosch das Vorkommen jedoch. Damit die Großtrappe
wieder eine Heimat im Zerbster Land findet, sind Verbesserungen des Lebensraumes nötig.
Neben Blühstreifen und Trappenfeldern sind es die Wegränder, die der Schlüssel für der
Erfolg der Wiederansiedlung seien können.
Ausgehend von den Erkenntnissen zum positiven Beitrag, den Feldraine für die Artenvielfalt
darstellen, wurden in der “Buhlendorfer Erklärung” konkrete Pflegevorgaben definiert. Es
wurde festgelegt, wann und wie breit Feldraine zu mähen sind, welche Ruhezeiten gelten
sollen und wann die Mahd- und Mulcharbeiten nicht durchgeführt werden dürfen.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Pflegevorgaben bezieht sich auf den Umfang der Arbeiten.
So ist vorgesehen, dass immer nur die Hälfte eines Wegrandes gepflegt werden darf. Die
andere Hälfte wird dann erst im Folgejahr der Pflege unterzogen. Durch diesen jährlichen
Wechsel entstehen wertvolle Strukturen. In den ungemähten Bereichen können Kleintiere
überwintern und Vögeln dienen sie als Futterquelle im Winter.
In der “Buhlendorfer Erklärung” wurde des Weiteren festgelegt, dass die
Neupflanzung von Bäumen und Hecken in Abstimmung mit der Stadt Zerbst und der
Unteren Naturschutzbehörde erfolgen muss.
Die “Buhlendorfer Erklärung” stellt einen guten Kompromiss zwischen den Landwirten, der
Stadt Zerbst und dem Artenschutz dar. Umsetzen werden die Pflegemaßnahmen die
Landwirte im Gebiet selbst. Dadurch kann auch die Stadt Zerbst entlastet werden.
Erste Auswertung für März 2023 geplant
Die “Buhlendorfer Erklärung” ist in erster Linie eine Willensbekundung, die auf Freiwilligkeit
setzt. In der Erklärung wird die Chance gesehen, die Biodiversität im Vogelschutzgebiet
Zerbster Land zu fördern. Im März des nächsten Jahres wird es ein Treffen mit allen
Beteiligten geben, in dessen Rahmen ausgewertet wird, was gut und was weniger gut lief.
Auf dieser Grundlage können dann gegebenenfalls Anpassungen an den Pflegevorgaben
vorgenommen werden.