Am 30. November erreichte uns die Nachricht, dass westlich von Braunschweig – 150 km vom nächsten Großtrappenvorkommen entfernt – eine Großtrappe aufgetaucht ist. Nachrichten dieser Art erhalten wir in regelmäßigen Abständen. Meist handelt es sich aber um Gänse, speziell Nilgänse, Kraniche oder ähnliche Arten. Selbst ein Fasan wurde auch schon als Großtrappe angesprochen. Wir freuen uns über jede dieser Meldungen. Zeigen sie uns doch, dass ein großes Interesse an den Großtrappen besteht.
Eine Großtrappe mit sehr unklarer Herkunft
Nun, in diesem Fall war es sehr wohl eine Großtrappe, denn bald wurden uns die ersten Bilder zugesandt, die die Beobachtung bestätigten. Es handelte sich um eine weibliche diesjährige Großtrappe. Sie trug keinen Ring, stammte also nicht aus unserem Aufzucht- und Auswilderungsprojekt. Umso erstaunlicher war, dass sie sich extrem zutraulich gab. Bis auf wenige Meter konnten sich die Menschen annähern. Dieses Verhalten ist für einen Wildvogel extrem ungewöhnlich. Nach Absprache unter den verantwortlichen Behörden wurde die Großtrappe am 6. Dezember eingefangen und zum NABU-Artenschutzzentrum nach Leiferde gebracht. Der Fang und die Unterbringung erfolgten sehr professionell (vielen Dank dafür an die Mitarbeiter vom Tierschutz und vom NABU). Am 7. Dezember konnten wir eine unverletzte Großtrappe im besten Zustand aus Leiferde abholen.
Rätsel über Rätsel, denn keiner kennt diese Großtrappe
Im Schutzgebiet Havelländisches Luch wurde sie freigelassen. Seitdem hält sie sich beim Wildbestand auf. Sie ist gut zu erkennen, denn mittlerweile trägt sie einen schwarzen Kennring mit dem Code „TU“. Bisher ist für uns aber noch einiges rätselhaft. Wir können nur mutmaßen, dass die Großtrappe in einem unserer Schutzzäune in diesem Jahr aufgewachsen ist. Sie ist durch eine Linie schwarzer Punkte im Flügelbereich gut von den anderen zu unterscheiden. Diese schwarzen Punkte kommen nur bei jungen Großtrappen vor, aber relativ selten. Keiner unserer Kollegen konnte sich aber an einen Jungvogel mit dieser Zeichnung erinnern. Auch die Auswertung der Fotofallenbilder brachte keine Erkenntnisse über die Identität.
Abdriften nach einem Angriff sehr wahrscheinlich
Was wir wissen ist nur, dass es ein Jungvogel ist, der seine Mutter anscheinend verloren hat. Dieses weite Abdriften vom Einstandsgebiet über 150 km ist wahrscheinlich auf Grund einer Störung – Vielleicht ein Angriff vom Seeadler? – passiert. Dabei wurde der Jungvogel von der Mutter getrennt, oder die Mutter wurde erbeutet oder ist anderweitig verunglückt. Solche weiten Wanderungen werden jedenfalls von einer Henne mit Jungvogel ohne triftigen Grund nicht unternommen. Normalerweise bleiben sie bis zum nächsten Frühjahr zusammen. Die Vertrautheit des Vogels, die er hoffentlich mit der Zeit verlieren wird, ist für uns erstaunlich. Ein Erklärung dafür haben wir aber nicht. Es ist auch ausgeschlossen, dass die Großtrappe irgendwo anders in Deutschland in Gefangenschaft groß geworden ist. Ebenso ist ausgeschlossen, dass sie z.B. aus Österreich oder Ungarn eingewandert ist. In jedem Fall war der Fang und Rücktransport der Großtrappe das Richtige, denn ohne ihre Artgenossen hätte sie keine Chancen zum Überleben gehabt.
6 Kommentare.
Hallo! Warum ist denn eine Herkunft aus Österreich oder Ungarn ausgeschlossen?
Hallo Herr Roeder, die Vorkommen in Österreich/ Ungarn sind räumlich in zu großer Distanz. Das wäre nach unserer Meinung nicht typisch. Das Havelland ist keine 150 Kilometer weg; eine für Trappen problemlos zu überwindende Entfernung. Beste Grüße, Lars
Wurde eine DNA-Analyse gemacht?
Hallo, nein. Wir vermuten, dass die Trappe in Sachsen – Anhalt geschlüpft ist. In dem dortigen Großtrappenschutzgebiet. Alle Umstände sprechen dafür.
Beste Grüße, Lars Schönberg
Hallo,
ich habe vor ca. 8 Jahren 3 Großtrappen im Raum Mengen/Donau gesehen.
Das Erscheinungsbild war unverkennbar.
Die Entfernung betrug ca. 100 m.
Leider konnte ich nicht anhalten und die Sichtung dokumentieren..
Ich habe damals an den Leiter des dortigen NABU geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten.
Meine Frage: Sind schon einmal Vögel in der gegend gemeldet worden?
Könnten sie aus einer österreichischen oder ungarischen Population stammen?
Oder gar aus Mecklenburg-Vorpommern?
Über eine Antwort würde ich mich freuen!
Hallo Herr Haberbosch,
leider sind Rückmeldungen sehr selten. Die meisten Beobachtungen werden eben nicht unserem Verein, sondern dem NABU gemeldet. Hier verlieren sich dann die Meldungen leider. Inzwischen ist es durch die Vogelbeobachtungsplattform „ornitho“, aber auch „naturgucker“ für uns leichter geworden, Beobachtungen zu erfassen oder davon zu erfahren.
Aktuell ist mir nicht bekannt, dass in Süddeutschland in den letzten Jahren Großtrappen gesichtet worden. Die brandenburgischen Großtrappen fliegen in strengen Wintern auch eher Westwärts. Nun unmöglich ist es natürlich nicht. Zur Zeit „treibt“ sich eine Großtrappe in Oberösterreich herum.
Ich werde der Sache noch mal nachgehen. Möglicherweise erfahre ich mehr.
Besten Gruß, Lars Schönberg