Die Balz ist der Höhepunkt im Jahr der Großtrappen. Es ist faszinierend zuzuschauen, wie die Hähne um die Gunst der Weibchen werben. Nicht nur für die zahlreichen Beobachter ist es ein Schauspiel. Auch aus ornithologischer Sicht hält das Balzverhalten der Großtrappen – Hähne noch viele spannende Fragen bereit. Thema der aktuellen Forschung: Nutzen Großtrappenhähne sexuelle Stimulanzmittel?
Die Frage, wer sich mit den Weibchen paaren darf (sexuelle Selektion) wird bei Vogelarten, die Balzplätze nutzen, im Wesentlichen nach zwei Mechanismen entschieden: Durch Präsentation und Kämpfe unter den Männchen, um den Stärksten zu ermitteln, und durch die Wahl des Weibchen.
Großtrappen sammeln sich an traditionellen Balzplätzen. Die Hähne ermitteln oft schon vor der Ankunft der Hennen, wie die Hierarchie unter ihnen ist. Großtrappenhähne sind ihrem Balzplatz ein Leben lang treu und schaffen dort eine hierarchische Ordnung. Diese Ordnung beschränkt den Zugang von mehr als der Hälfte der Hähne zu den Weibchen. Natürlich wollen die dominanten Hähne ihre Stellung erhalten. Andere versuchen eine dominantere Stellung zu erreichen.
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Die stärksten und gesundesten Männchen schaffen es am Ende, sich mit den Hennen zu verpaaren. Ihre Dominanz wird von Ornithologen mit einer überdurchschnittlichen Fitness, ihrer Körpergröße, der Ausprägung der Bartes und der Nackenfedern erklärt. Auch Aussehen und Zustand der Kloake beeinflusst die Entscheidung der Hennen. Ist diese sauber und frei von Infektionssymptomen, bürgt das für die Qualität eines Hahnes.
Nutzen Großtrappenhähne Stimulanzmittel?
In der neueren Forschung zum Balzverhalten der Großtrappen und der Dominanz einzelner Hähne, ist bei spanischen Ornithologen ein eher unscheinbarer Käfer in den Fokus gelangt. Die Ornithologen fanden heraus, dass Großtrappenhähne während der Balzzeit erhöhte Mengen an Ölkäfern (Meloidae) aufnehmen. Sie vermuten, dass die Hähne diese wegen ihrer anthelminthischen und antimikrobiellen Eigenschaften aufnehmen. Anthelminthische Wirkstoffe wirken gegen Würmer und sind deshalb Bestandteil von Entwurmungsmitteln; antimikrobielle Wirkstoffe hingegen reduzieren bzw. töten Bakterien und Pilze. Warum aber die Hähne diese Käfer verstärkt aufnehmen, hat einen ganz speziellen Grund, denn die Hennen verfügen im Wesentlichen über ähnliche Darmmikroben.
Ölkäfer enthalten das Nervengift Cantharidine, welches seit Jahrtausenden zur Erhöhung der sexuellen Stimulanz Verwendung findet. Sowohl in der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin), als auch in der afrikanischen Medizin wird Cantharidin in der Sexualmedizin genutzt. Eine große Bekanntheit erreichte die „Spanische Fliege“, ein anderer Käfer (Lytta vesicatoria) der Meloidae – Familie. Cantharidin hemmt die Aktivität von Protein – Phospatasen, was – verkürzt gesagt – die sexuelle Empfindung und Erregung der Männchen erhöht. Wie genau Cantharidin wirkt, ist noch nicht vollständig geklärt. Denn hier vermischen sich die durchaus positiven Effekte des Giftes auf die sexuelle Stimulanz mit der starken Giftigkeit. Bei Menschen gilt bereits eine geringe Dosierung als tödlich. Im Altertum war die Vergiftung mit Cantharidine genau so bekannt, wie der berühmte Schierlingsbecher.
Wenn nun alle Großtrappenhähne Ölkäfer aufnehmen, um sexueller aktiver sein zu können, ist dann der Einsatz nicht zu hoch? Oder anders ausgedrückt: Warum sollten die Großtrappenhähne schwere körperliche Schäden in Kauf nehmen, wenn alle anderen es auch machen? Am Ende würde durch die Einnahme kein Hahn einen Vorteil aus der Einnahme erzielen. Die Forscher vermuten aus diesem Grund, dass normalerweise unterlegene Hähne bevorzugt Ölkäfer aufnehmen. Sozusagen als Dopingmittel, um sich daraus eine höhere Stellung innerhalb der Hierarchie zu erschleichen. Verlieren können sie nur ihre Gesundheit, gewinnen können sie die Aufmerksamkeit der Hennen. Und vielleicht bekommen sie so die Möglichkeit, sich zu paaren.
Quellen:
- On Otis tarda and Marquis de Sade: what motivates male Great Bustards to consume Blister Beetles (Meloidae)? Autor: Petr Heneberg | Journal für Ornithologie 2016; 157: 1.123 – 1.125
- Wikipedia Antimikrobielle_Substanzen
- Wikipedia Anthelminthikum
- Wikipedia Priapismus
- Wikipedia Cantharidin