Rettung von Gelegen | Auswilderung
Auswilderung von Großtrappen als Rettungsanker
1970 ergab eine großangelegte Zählung den ernüchternden Befund, dass nur noch rund 1.000 Großtrappen in Deutschland lebten. Die Mehrheit – 815 – im Trappenland Brandenburg. Der scheinbare Tiefpunkt war erreicht. Die großen Zusammenhänge und tatsächlichen Ursachen ihres Verschwindens blieben freilich vorerst noch im Dunkeln. Niemand oder nur die wenigsten ahnten, dass das Aussterben der Großtrappen unmittelbar bevorstand.
Kükenführende Hennen wurden so gut wie nicht mehr beobachtet. Nur die hohe Lebenserwartung der Großtrappen verhinderte, dass die Trappen direkt ausstarben. Nachkommen waren nicht mehr zu erwarten. 1973 geschah für den Vogelschutz etwas sehr Visionäres: In Steckby wurde ein Programm gestartet, bei dem die Eier aufgefundener Großtrappengelege ausgebrütet, die Küken aufgezogen und ausgewildert werden. Die Eier stammten aus Gelegen, die durch landwirtschaftliche Arbeiten freigelegt wurden und verloren gewesen wären.
Dadurch konnte die Wissensgrundlage für den Erhalt der Großtrappen gelegt werden, ohne den die Trappen zweifellos schon ausgestorben wären. Versuch und Irrtum im Vogelschutz. In dieser Form heute wahrscheinlich unmöglich oder nur unter irrsinnigen bürokratischen Bedingungen möglich.
Die künstliche Brut und Auswilderung war freilich nur ein Zeitgewinn, dies war allen Beteiligten klar. Lösungen zum Erhalt des Lebensraumes mussten gefunden werden. Es machte nur wenig Sinn, mühevoll aufgezogene Großtrappenküken in eine völlig ungeeignete Umwelt zu entlassen. Der Verlust wäre vorprogrammiert und ethisch nicht vertretbar gewesen.
Mit der Gründung der Naturschutzstation in Buckow wurde das Aufzucht- und Auswilderungsprogramm von Steckby nach Buckow verlegt. Im Jahre 1979 begann darum parallel zur Aufzucht, die Ursachenforschung zum Niedergang der Trappen. Von Anfang an wurden Landwirte für das Projekt gewonnen, um mit ihnen gemeinsam Wege aus der Misere zu suchen. Dass Vogelschutz ohne die beteiligten Akteure zum Scheitern verurteilt ist, wurde von den Großtrappenschützern schon sehr früh verstanden.
Auswilderung von Großtrappen – Eine Maßnahme auf Zeit
Erklärtes Ziel des Großtrappen – Schutzes ist es, mit der Auswilderung die wildlebenden Bestände zu stützen. Und zwar nur so lange, bis eine natürliche Reproduktion dies überflüssig macht. Im Vogelschutzgebiet „Havelländisches Luch“ ist dieses Ziel bereits erreicht worden. Hier konnte dank optimaler Lebensraumgestaltung und den Bau von Schutzzäunen, der nahezu vierfache Bestandsanstieg seit 1996 verzeichnet werden.
Im Fiener Bruch und den Belziger Landschaftswiesen wird durch die Auswilderung der Bestand gestützt. Mit viel Umsicht und Erfahrung werden die Jungtrappen bereits nach sechs Wochen ausgewildert. Und auch hier sind Maßnahmen im vollen Gange, den vorhandenen Lebensraum weiter zu verbessern.
Ziel der künstlichen Brut und der Auswilderung ist es, die Bestände in den Großtrappen – Schutzgebieten zu stärken und natürliche Verluste auszugleichen. Ausgewildert werden die Trappen ausschließlich in Lebensräume, die perfekt geeignet sind.
Damals wie heute stammen die Eier aus Gelegen, die versehentlich bei landwirtschaftlichen Arbeiten freigemäht wurden. Hinzukommen Eier, die bewusst eingesammelt werden. Dabei handelt es sich um Eier der Erstgelege Anfang Mai. Diese sind von Fressfeinden und Störungen besonders bedroht, sodass die Eier im Freiland mit hoher Wahrscheinlichkeit gefressen werden würden. Aus diesem Grund werden diese Eier aufgenommen und künstlich ausgebrütet. Die Großtrappen reagieren mit einem Nachgelege darauf. Die Chance, dass dieses überlebt ist viel höher, da die Vegetation um die Zeit mehr Schutz und später für die Küken auch mehr Nahrung bietet. Für die Großtrappe ist das Aufnehmen des ersten Geleges also kein Verlust.
Wissen und Erfahrung von Weltrang
Was mit experimentellem Herantasten an die künstliche Brut und Auswilderung begann, entwickelte sich über die Jahre zu einer hochprofessionellen Wissenschaft. Die künstliche Aufzucht ist inzwischen so effektiv, dass sie unter Vogelschützern zum Standard erhoben wurde.
Die gewonnen Erkenntnisse, Methoden, technischen Geräte und Auswilderung – Strategien wurden soweit verfeinert, dass sie als Richtlinie in das Unterabkommen zur Großtrappe innerhalb der Bonner Konvention aufgenommen wurden.