Dr. Heinz Litzbarski verstarb unerwartet am 08.01.2023. Mit ihm verliert der deutsche Naturschutz einen engagierten und bis zuletzt unermüdlichen Kämpfer, der sich zeitlebens engagiert für den Natur- und Vogelschutz einsetzte. Dabei stand vor allem eine Art im Zentrum seiner Arbeit – die Großtrappe. Über 40 Jahre lang kämpfte er zusammen mit seiner Frau Bärbel und seinem Team erfolgreich um den Erhalt dieser imposanten Vogelart in einer artenreichen Kulturlandschaft.
Heinz wurde am 07.10.1940 in Danzig geboren. Seine Familie siedelte später nach Eberswalde um, wo er aufwuchs und zur Schule ging. Nach seinem Lehrerstudium in den Fachrichtungen Biologie und Chemie an der Pädagogischen Hochschule Potsdam arbeitete er mehrere Jahre in Zehdenick als Lehrer, bis er von Prof. Erich Rutschke an die Potsdamer Hochschule zurückgeholt wurde und sich bald in der Wasservogelforschung einen Namen machte. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Gänseforschung am Gülper See. Im Jahr 1979 übernahm Heinz die Leitung des bereits ein Jahr zuvor gestarteten Großtrappenaufzucht- und Auswilderungsprogramms in Buckow und damit auch den weiteren Auf- und Ausbau der hier gegründeten Naturschutzstation. Doch es blieb nicht nur bei der Aufzucht und Auswilderung von Großtrappen. Schnell war klar, dass die Art Großtrappe nur durch den Schutz ihres Lebensraums eine Überlebenschance hat. So entwickelte sich unter Heinz‘ Leitung der Großtrappenschutz zu einem breit angelegten Naturschutzprojekt in der Agrarlandschaft. Von Buckow aus leitete Heinz auch die Bezirksarbeitsgruppe „Artenschutz“ und initiierte die Gründung weiterer Unterarbeitsgruppen, wie z.B. die „AG Säugetierschutz“ und die „AG Feldherpetologie“. Die Herausforderung Naturschutz in der Agrarlandschaft zu betreiben, begleitete ihn bis ans Ende seiner beruflichen Laufbahn im Jahr 1999 und auch darüber hinaus. Der heute verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückte Insektenschutz war für Heinz seit den Anfangsjahren des Schutzprojektes Großtrappe selbstverständlich und bildete eine der Grundlagen seiner Schutzstrategie.
„Wenn eine Kuh nicht frisst, stirbt sie. Wenn eine Großtrappen nicht frisst, stirbt sie auch.“ Das waren die einleitenden Worte von Heinz auf einer Veranstaltung des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR im Januar 1986! An dieser Veranstaltung mussten alle LPG*-Vorsitzenden, deren Betriebe sich in den letzten Einstandsgebieten der Großtrappe der ehemaligen DDR befanden, teilnehmen. Heinz stellte die Ergebnisse der 1985 begonnenen Untersuchungen zum Vorkommen von Insekten und anderen Arthropoden auf landwirtschaftlichen Nutzflächen vor. Der nachgewiesene Mangel an Nahrungstieren für Jungvögel auf intensiv genutzten Flächen überzeugten den damaligen Minister, Bruno Litz, und er ermahnte die Landwirte mit den Worten, dass „die Erhaltung der Großtrappe ein Prüfstein für die sozialistische Landwirtschaft“ sei. In der Folge wurden die ersten Acker- und Grünlandflächen im Havelländischen Luch und in den Belziger Landschaftswiesen extensiviert und die LPGen entschädigt.
Mit viel Geschick und Mut lenkte er das Schutzprojekt Großtrappe auch durch die Zeit der politischen Wende, immer den ganzheitlichen Naturschutz im Blick. Am 31. März 1990 wurde er zum 1. Vorsitzenden des neu gegründeten NABU-Landesverbandes Brandenburg gewählt. Im Jahr 1991 initiierte Heinz dann, dem Ratschlag westdeutscher Kollegen folgend, die Gründung des Fördervereins Großtrappenschutz e. V.. Mit dieser weitsichtigen Entscheidung legte er einen Grundstein für den heutigen Erfolg des Schutzprojektes Großtrappe. Er war von 1991 mit einer kurzen Unterbrechung bis 2015 der Vorsitzende des Vereins, später sein Ehrenvorsitzender. Bis zuletzt konnten wir auf seine wertvollen Ratschläge, seinen Kenntnisreichtum und tatkräftige Unterstützung, z.B. bei der Betreuung von Besuchergruppen bauen. Bei vielen dieser Besucher hinterließ Heinz mit seiner Kompetenz und Sachlichkeit einen bleibenden Eindruck. Heinz war immer zur Stelle, wenn Hilfe von Nöten war.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, ohne sein Engagement, seine Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen gäbe es heute keine einzige Großtrappe mehr in Deutschland. Auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Forschung und in der Sache streitbar, überwanden Heinz und seine Frau viele Widerstände, auf die sie sowohl in der auf landwirtschaftliche Höchsterträge ausgerichteten DDR als auch später in der westdeutschen Bürokratie trafen. Der Erfolg gab ihnen Recht. Ab Mitte der 1990er Jahre nahmen die Bestandszahlen der Großtrappe in Deutschland wieder zu. Bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen ging es ihm nie um eine vorsätzliche Konfrontation mit den Landnutzern. Sein Streben war vielmehr der Versuch um einen Ausgleich und Einklang zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Der Natur und den Landwirten im gleichen Lebensraum das Überleben zu sichern war stets sein Leitbild, welches er auch jüngeren Generationen vermittelte.
Als studiertem Pädagogen gelang es ihm, durch seinen stets respektvollen und toleranten Umgang den Nachwuchs für ökologische Zusammenhänge und die Belange des Naturschutzes zu interessieren und zu begeistern. Angefangen beim Gänsefang am Gülper See, über die Pflege wertvoller Biotope, wie Trockenrasen oder Orchideenwiesen, bis schließlich zum Großtrappenschutz, durch sein Vorbild beeinflusste er viele Biografien nachhaltig positiv.
Das fortwährende Engagement von Heinz und Bärbel erfuhr eine besondere Würdigung durch die Verleihung des Naturschutzpreises des Landes Brandenburg im Jahr 2008 und des Bundesverdienstkreuzes am Band im Jahr 2011 durch Bundespräsident Christian Wulff.
Heinz Litzbarskis zweite große Leidenschaft war das Reisen. Gemeinsam bereisten Heinz und Bärbel sämtliche Erdteile und brachten immer neue Erfahrungen und eine beachtliche Anzahl Fotos mit, die einem interessierten Publikum auch gerne präsentiert wurden.
Heinz war ein angenehm unaufgeregter, herzlicher Mensch, fähig zur Selbstreflektion und auch zur Selbstironie. Er war eine Bereicherung für seine Weggefährten, ein Freund und ein Vorbild. Wir werden ihn vermissen.
Unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme gilt in besonderer Weise seiner Ehefrau Dr. Bärbel Litzbarski.
Marcus Borchert, Henrik Watzke und Wernfried Jaschke
* LPG – Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft